Die größte Gemüsefarm Europas soll hier gedeihen: Auf den Messegebäuden am Porte de Versailles in Paris wachsen Erdbeeren in der Luft und Tomaten auf Kokosboden. Das Projekt dient auch dem Klimaschutz.
Von Marcel Wagner, ARD-Studio Paris
"Urban Gardening", also gärtnern - irgendwo, wo die Großstadt es zulässt - gilt schon lange als Trend. Doch in Zeiten, in denen kurze Lieferwege und Klimabilanzen selbst beim Gemüsekauf immer mehr Beachtung finden, ist aus dem "Urban Gardening" längst die Idee eines "Urban Farming" erwachsen.
In Paris hat gerade eine solche Stadtfarm eröffnet, die zu einer der größten der Welt werden soll. Der Straßenlärm der belebten Porte de Versailles klingt nur gedämpft herauf auf das Dach der Pariser Messehalle Nummer sechs. Irgendwo hinter den Plastiksäulen, aus deren Löchern sich unzählige Erdbeerstauden ranken, ist die Spitze des Eiffelturms zu erkennen.
Ausgeklügelte Anbauverfahren
Khalia Gaultier zupft mit geübten Handgriffen welke Blätter von den Pflanzen. Dann erntet die Gemüsebäuerin die roten Beeren in Schalen für den Verkauf, ohne dass die Früchte je mit Erde in Berührung gekommen wäre. Gaultier, die gerade ihre Ausbildung beendet hat, erklärt das Verfahren:
"Wir benutzen hier eine Anbautechnik, bei der wir Früchte und Gemüse mit nackten Wurzeln wachsen lassen. Die Wurzeln hängen in die Säulen hinein und werden dort mit Wasser bespritzt. Ganz ohne Erde. Das Wasser fangen wir wieder auf. So sparen wir 90 Prozent davon."
Im Zwanzig-Minuten-Takt wird das nährstoffhaltige Wasser durch die Plastiksäulen gepumpt. Ein ausgeklügeltes Verfahren, das wenig mit der Romantik eines saftigen Erdbeerfeldes auf dem Land gemein hat.
"Ich hatte mir, ehrlich gesagt, nicht vorgestellt, dass ich mich nach der Ausbildung in Paris wiederfinden würde. Aber ich wollte mich öffnen, neue Sachen ausprobieren. Das ist eine ganz andere Art von Landwirtschaft. Aber genau das gefällt mir."
Kokosteig als Wurzelboden
Neben den Plastiksäulen mit den Erdbeerstauden reihen sich dicht an dicht schwer behangene Tomatenpflanzen, ein Stück weiter reifen zahllose Auberginen, alle ebenfalls in speziell entwickelten Gewächsanlagen, mit einer Art Kokosteig als Wurzelboden.
Die Gemüsefarm hier oben auf dem Messehallendach ist auch ein Hightech-Experimentierfeld für "Agripolis", ein junges Pariser Startup. Agripolis hat sich zum Ziel gesetzt, entlang der jeweiligen Vorgaben und Bedingungen Stadtfarmen zu entwickeln, erklärt Sophie Hardy, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert.
Obst- und Gemüseanbau allein reicht nicht
Für die riesige Plantage auf dem Pariser Messedach hat sich "Agripolis" mit "Culture en Ville" zusammengeschlossen, einem weiteren Startup, das sich weniger um die Technik, dafür mehr um das Bewirtschaften und Vermarkten von Stadtfarmen kümmert. Denn auch wenn die Plantage mit 14.000 Quadratmetern Fläche bald zu einer der größten Stadtfarmen der Welt gehören soll - vom Obst- und Gemüseverkauf alleine lässt sich das Projekt kaum finanzieren. Sophie Hardy sagt:
"Wir haben uns für ein gemischtes Modell entschieden, das den Gemüseanbau, Veranstaltungen und die Nutzung durch Besucher miteinander verbindet. Wenn wir das nicht alles hätten, würde das deutlich schlechter funktionieren."
Die Kernidee bleibt der groß angelegte Gemüseanbau, das hat die Stadt Paris als Inhaberin des Messegeländes zur Bedingung gemacht. Wenn alles fertig ist, sollen in der Saison rund eine Tonne Obst und Gemüse, angebaut komplett ohne Pestizide, pro Tag an Restaurants und Supermärkte direkt in der Umgebung geliefert werden. Das soll helfen, Verkehr und Abgase zu reduzieren.
Pariser können Hochbeet mieten
Darüber hinaus können Anwohner sich in einem abgetrennten Bereich selbst kleine Hochbeete mieten. Alice Durbecq hat gemeinsam mit ihrem Vater gleich in der ersten Woche zugeschlagen:
"Ich fand die Idee super, mitten in Paris einen kleinen Garten zu haben. Wir brauchen nur die Straße zu überqueren und ernten unsere eigenen Früchte, Gemüse und Kräuter. Das ist echt ideal und vor allem für Paris einfach perfekt."
Mit rund 320 Euro Jahresmiete für einen Quadratmeter Hochbeet ist der Spaß allerdings nicht gerade günstig. "Ganz ehrlich", sagt Sophie Hardy von der Betreibergesellschaft, "wir hatten trotzdem kein Problem, sofort Mieter zu finden. Wir sind halt in Paris, da ist der Quadratmeterpreis eben sehr teuer." Immerhin sind Pflanzen, Bewässerungssystem und professionelle Beratung inklusive. Und anders als auf der riesigen Dachfarm nebenan, dürfen die Pflanzen in den Hochbeeten sogar in echter Erde wurzeln.
July 09, 2020 at 04:38PM
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Sophie Paris (Deutsch)
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